Die Gesellschafterversammlung ist das oberste Willensbildungsorgan der GmbH (siehe Gesellschafterversammlung – Bedeutung, Einberufung und Teilnahme). Die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung haben für die GmbH und oft auch für den einzelnen Gesellschafter ganz erhebliche Bedeutung. Dabei entfalten Beschlüsse auch Wirkung, wenn sie rechtswidrig und anfechtbar sind. Hiergegen kann sich der betroffene Gesellschafter mit der Anfechtungsklage und in Einzelfällen auch mit der Nichtigkeitsklage zur Wehr setzen. Insbesondere einer fristgerechten und wirksam erhobenen Anfechtungsklage kommt daher wesentliche Bedeutung zu. Im Ausgangspunkt ist zwischen anfechtbaren Beschlüssen und – ausnahmsweise – nichtigen Beschlüssen zu unterscheiden.
Ausnahmsweise: Nichtigkeit von Gesellschafterbeschlüssen
Nichtigkeit eines Beschlusses liegt nur dann vor, wenn der Beschluss an einem so gravierenden Mangel leidet, dass der Beschluss nicht lediglich anfechtbar, sondern nichtig ist. Nichtigkeits-Gründe sind insbesondere:
- Einberufung der Versammlung durch eine dazu nicht berechtigte Person;
- Die Einladung erfolgte nicht an alle auf der Gesellschafterliste nach § 16 GmbHG stehenden Gesellschafter;
- Verletzung der Beurkundungsvorschrift des § 53 Abs. 2 GmbHG für Satzungsänderungen.
Die Nichtigkeit eines Beschlusses kann durch Erhebung der Nichtigkeitsklage geltend gemacht werden. Nichtige Beschlüsse erwachsen grundsätzlich nicht in Bestandskraft. Die Gesellschaftsorgane dürfen nichtige Beschlüsse nicht umsetzen, insbesondere nicht zum Handelsregister anmelden. Oft erfolgt jedoch genau dies, da nichtige Beschlüsse entsprechend § 242 AktG durch Eintragung im Handelsregister (und Zeitablauf von drei Jahren) geheilt werden können. Die Erhebung der Nichtigkeitsklage unterliegt – anders als die Anfechtungsklage (dazu sogleich) – grundsätzlich keiner Frist, kann jedoch nach Heilung nicht mehr erhoben werden.
In der Regel: Anfechtbarkeit von Gesellschafterbeschlüssen
In allen anderen, nicht so gravierenden Fällen der mangelhaften Beschlussfassung sind die Beschlüsse vorläufig wirksam und lediglich anfechtbar. Werden anfechtbare Beschlüsse nicht rechtzeitig innerhalb der Anfechtungsfrist angefochten, erwachsen sie in Rechtskraft und können nicht mehr beseitigt werden. Daher ist hier erst recht rasches Handeln erforderlich.
Anfechtungsgründe
Gründe für eine Beschlussanfechtung können sich aus Verfahrensmängeln und inhaltlichen Mängeln ergeben.
Verfahrensmängel liegen vor, wenn gesetzliche oder satzungsmäßige Verfahrensvorschriften für Gesellschafterversammlungen bzw. -beschlüsse nicht eingehalten wurden. Der Verfahrensverstoß muss zudem für den gefassten Beschluss relevant sein. Das ist insbesondere bei einer Verletzung des Teilnahmerechts bzw. Mitgliedschaftsrechts eines Gesellschafters der Fall. Typische Verfahrensmängel sind:
- Einberufung der Versammlung mit zu kurzer Ladungsfrist;
- Ladung zur Unzeit, z.B. weil der Gesellschafter im Urlaub ist;
- Nicht-Ankündigung der Tagesordnung oder Vorenthaltung wichtiger Informationen, so das sich der Gesellschafter nicht angemessen auf die Versammlung und Abstimmung vorbereiten kann;
- Mitzählen von Stimmen von Gesellschaftern sein, obwohl diese von der Beschlussfassung ausgeschlossen sind.
Inhaltliche Mängel führen ebenfalls zur Anfechtbarkeit. Sie betreffen nicht das Beschlussverfahren, sondern den Inhalt der Beschlüsse und liegen beispielsweise vor bei:
- Verstoß des Beschlusses gegen Gesetze;
- Sittenwidrigkeit des Beschlusses;
- Verstoß des Beschlusses gegen inhaltliche Regelungen der Satzung;
- Verstoß des Beschlusses gegen den gesellschaftsrechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung;
- Verstoß des Beschlusses gegen den Gesellschaftszweck sowie Treuebindungen.
Anfechtungsbefugnis
Jeder Gesellschafter kann die Anfechtungsklage erheben, der gegen den Beschluss gestimmt hat, sich der Stimmabgabe enthalten hat, oder an der Gesellschafterversammlung gar nicht teilgenommen hat. Lediglich dem Gesellschafter, der für den Beschluss gestimmt hat, diesen nachträglich ausdrücklich genehmigt hat, oder auf sein Anfechtungsrecht wirksam verzichtet hat, steht keine Anfechtungsbefugnis zu.
Anfechtungsfrist
Das GmbHG enthält – anders als das Aktiengesetz – keine Regelungen zur Anfechtung und somit auch nicht zur Anfechtungsfrist. Daher enthalten die meisten GmbH-Satzungen ausdrückliche Regelungen zur Anfechtungsfrist. Häufig in Satzungen anzutreffen sind Fristen von vier Wochen, einem Monat oder auch zwei Monaten. Enthält die Satzung zur Anfechtungsfrist keine Regelung, greift der BGH als Leitbild auf die Monatsfrist des § 246 Abs. 1 AktG auch für die GmbH zurück. Anfechtungsklagen sollten daher mangels Satzungsregelung binnen der Monatsfrist erhoben werden.
Teilweise enthalten Satzungen Regelungen zum Fristbeginn, z.B. ab Zugang des Protokolls. Fehlt eine solche Regelung, beginnt die Anfechtungsfrist ab Kenntnis von der Beschlussfassung zu laufen, für den an der Versammlung teilnehmenden Gesellschafter also sofort. Der Gesellschafter, der nicht an der Versammlung teilgenommen hat, muss ich um eine zügige Kenntnisnahme bemühen. Laut OLG Hamm (Urteil vom 21.12.2015, 8 U 67/15) hat eine solche Kenntniserlangung in der Regel innerhalb von zwei Wochen, laut OLG Dresden (Urteil vom 28.05.2020 – 8 U 2611/19) in besonders gelagerten Fällen jedenfalls innerhalb von drei Wochen zu erfolgen. Nach Ablauf dieser Frist zur Kenntniserlangung beginnt sodann die (reguläre) Anfechtungsfrist von einem Monat zu laufen.
Anfechtungsgegner
Oft richtet sich ein Gesellschafter, der von den anderen Gesellschaftern überstimmt wurde, mit seiner Anfechtungsklage im Grunde gegen seine Mitgesellschafter. Trotzdem entspricht es der ganz herrschenden Meinung, dass die Anfechtungsklage gegen die GmbH als Beklagte zu richten ist, die durch ihren Geschäftsführer vertreten wird.
Ist der Geschäftsführer nicht zugleich Gesellschafter, ist er nicht stimmberechtigt und hat nicht einmal ein eigenes Recht auf Teilnahme an Gesellschafterversammlungen (kann aber durch Gesellschafterbeschluss oder entsprechende Satzungsregelung zugelassen werden). Es kommt daher immer wieder vor, dass der (Fremd-)Geschäftsführer nicht an einem Gesellschafterstreit beteiligt ist, als gesetzlicher Vertreter der GmbH aber in einen Anfechtungsprozess gezogen wird. In solchen Fällen sollte bereits im Rahmen der Gesellschafterversammlung eine Beschlussfassung zur Prozessvertretung der Gesellschaft (z.B. durch den Mehrheitsgesellschafter) im zu erwartenden Anfechtungsprozess erfolgen.
Inhalt der Anfechtungsklage
In der Anfechtungsklage müssen bereits sämtliche Anfechtungsgründe, auf die der Gesellschafter seine Beschlussanfechtung gründen möchte, genannt und hinreichend klar umschrieben werden. Es reicht nicht aus, zunächst – fristwahrend – eine Anfechtungsklage zu erheben mit der Ankündigung, die Anfechtungsgründe nachzuliefern. Denn nach Ablauf der Anfechtungsfrist können Anfechtungsgründe zwar weiter präzisiert, aber nicht aber weitere Anfechtungsgründe nachgeschoben werden.
Handlungsempfehlung
Schon im Vorfeld einer Gesellschafterversammlung, die streitig zu verlaufen droht, jedenfalls aber unmittelbar danach sollten Sie umgehend einen Rechtsanwalt konsultieren, um Ihre Position bestmöglich zu sichern. Hierfür stehen wir Ihnen gerne mit großer Erfahrung und Entschlossenheit zur Seite.