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Verbot der eigenmächtigen Anpassung der Geschäftsführer-Vergütung durch den (Gesellschafter-)Geschäftsführer selbst

Ein (Gesellschafter-)Geschäftsführer darf seine Vergütung nicht eigenmächtig anpassen, auch wenn sie nicht mehr angemessen sein sollte. Dies obliegt der Gesellschafterversammlung. In der bloßen Feststellung des Jahresabschlusses durch die Gesellschafterversammlung liegt keine Zustimmung zur Gehaltsanpassung. Wurde dem Geschäftsführer aber Entlastung erteilt, haftet er für den Entlastungs-Zeitraum nicht mehr auf Rückzahlung der überhöhten Vergütung - Entscheidung des OLG Brandenburg vom 24.01.2024 - 7 U 2/23

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Offene Videoüberwachung am Arbeitsplatz – Beweisverwertungsverbot bei Datenschutzverstoß

Aufzeichnungen aus einer offenen Videoüberwachung, die vorsätzlich vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers belegen sollen, dürfen in einem Kündigungsschutzprozess verwertet werden, auch wenn die Überwachungsmaßnahme rechtswidrig war.

Den Betriebsparteien fehlt zudem die Regelungsmacht ein Verwertungsverbot für Überwachungsmaßnahmen im Gerichtsverfahren zu begründen.
BAG Urteil vom 29.06.2023 – 2 AZR 296/22

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Verwendung der vom Gesetzgeber entworfenen Musterwiderrufsbelehrung

Eine Widerrufsinformation, die der gesetzlichen Musterwiderrufsbelehrung des Gesetzes entspricht, genügt den gesetzlichen Anforderungen. Eine Auslegung, die das vom Gesetzgeber selbstgeschaffene Muster für eine Widerrufsinformation als nichtgenügend ansehen würde, wäre eine Auslegung gegen das Gesetz und damit unzulässig ( OLG Stuttgart, Beschluss vom 05.04.2020, 6 O 182/19).

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Scheinselbständigkeit - Arbeitnehmerstatus - Rückabwicklung

Stellt sich ein vermeintlich freies Dienstverhältnis im Nachhinein als Arbeitsverhältnis dar, kann in der Regel nicht davon ausgegangen werden, die für freie Mitarbeit vereinbarte Vergütung sei der Höhe nach auch für eine Beschäftigung als Arbeitnehmer verabredet - BAG, Urteil vom 26.06.2019 – 5 AZR 178/18.

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Außerordentliche fristlose Kündigung bei Arbeitszeitbetrug

Die bewusste Falschdokumentation von Arbeitszeit kann bei einem nachhaltig auf Heimlichkeit und Verschleierung angelegten Verhalten zu einem irreparablen Vertrauenverlust führen, der eine fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigt, LAG Hamm 27.01.2023 - 13 SA 1007/22.

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund. Der Arbeitgeber hatte das Arbeitsverhältnis mit der Arbeitnehmerin fristlos gekündigt, weil diese sich während einer Pause nicht mit dem Zeiterfassungssystem austrug und im weiteren Verlauf ihrem Arbeitgeber darüber belog und darüber zu täuschen versuchte, dass sie Pause gemacht hatte.

Was war vorgefallen?

Die Arbeitnehmerin erschien morgens zur Arbeit und betätigte das Zeiterfassungssystem, mit dem der Beginn ihrer Arbeitszeit erfasst wird. Kurze Zeit später erklärte sie gegenüber einer Kollegin, sie würde in den Keller gehen. Ob sie dies tatsächlich tat, lies sich nicht aufklären. Unstreitig verließ die Klägerin jedoch danach ihren Arbeitsplatz und ging in ein Café auf der anderen Straßenseite und traf sich dort mit einer anderen Person. Der Arbeitgeber sah dies und sprach die Arbeitnehmerin bei ihrer Rückkehr (mindestens 10 Minuten maximal 30 Minuten) nach dem Verlassen ihres Arbeitsplatzes an. Die Arbeitnehmerin leugnete zunächst ihren Arbeitsplatz verlassen zu haben und in dem Café auf der anderen Straßenseite gewesen zu sein. Auch auf den Vorhalt des Arbeitgebers, dass er die Klägerin persönlich in dem Café gesehen habe, behauptete die Arbeitnehmerin weiter gearbeitet zu haben und erklärte, der Arbeitgeber müsse sich irren. Erst nachdem der Arbeitgeber darauf hinwies, dass er davon Fotos gemacht habe, räumte die Arbeitnehmerin den Sachverhalt ein. Die Arbeitnehmerin behauptete daraufhin, sie habe schlicht vergessen sich bei der Arbeitszeiterfassung auszutragen, hat nach ihrer Rückkehr und dem Gespräch mit dem Arbeitgeber aber auch keine Korrektur im Zeiterfassungssystem vorgenommen.

Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis daraufhin fristlos. Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht haben die Wirksamkeit der Kündigung bestätigt.

Wie hat das Gericht seine Entscheidung begründet?

Regelmäßig muss einer ordentlichen oder auch außerordentlichen Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung eine Abmahnung vorausgehen. Nur dann, wenn die Pflichtverletzung so schwer ist, dass das Festhalten am Vertrag unzumutbar ist, wird eine Abmahnung entbehrlich. Einen solch schwerwiegenden Pflichtverstoß sah das LAG Hamm hier als gegeben an, auch wenn der Arbeitszeitbetrug möglichweise nur 10 Minuten und maximal 30 Minuten betrug. Die Arbeitnehmerin habe sich hier zunächst vorsätzlich und planvoll nicht aus dem Zeiterfassungssystem ausgetragen und eine Kollegin zunächst darüber getäuscht, dass sie in den Keller gehe, obwohl sie dann in das Café auf der anderen Straßenseite ging. Dort traf sie dann eine Person, mit der sie offensichtlich verabredet war. Dies spricht bereits für ein planvolles Vorgehen. Ihr Arbeitgeber war um Aufklärung bemüht und ihr Gelegenheit zur Stellungnahme geben wollen. Von ihrem Arbeitgeber auf die fehlerhafte Arbeitszeiterfassung angesprochen, hätte die Arbeitnehmerin ihr Versäumnis einräumen müssen. Stattdessen hat sie ihren Arbeitgeber in dem Gespräch angelogen, um ihre Tat nachhaltig zu vertuschen. Sie hat ihr Verhalten mehrfach abgestritten und beharrlich geleugnet. Erst als sie wegen der gemachten Fotos keine Aussicht mehr darauf hatte, dass ihr vorsätzliches und nachhaltig unehrliches Verhalten unentdeckt bliebe, hat sie ihre Abwesenheit während der Arbeitszeit zugegeben.

Den wichtigen Grund, der die außerordentliche fristlose Kündigung rechtfertigte, sah das LAG Hamm zum einen in dem Arbeitsbetrug selbst, der aber, wenn die Klägerin ihn sofort eingeräumt und korrigiert hätte, die Kündigung nicht hätte rechtfertigen können und zum anderen in dem Nachtatverhalten der Klägerin, das zu einem irreparablen Vertrauensverlust des Arbeitgebers geführt hat. Das Nachtatverhalten war besonders auf Heimlichkeit und Verschleierung angelegt und hat die Pflichtverletzung in einem solchen Maß vertieft, dass die für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauensgrundlage nicht mehr wiederhellstellbar schien. Auch angesichts einer vorher mehrjährigen beanstandungslosen Tätigkeit und der Schwerbehinderung der Arbeitnehmerin war das bis dahin verdiente Vertrauen vollständig zerstört.

Übertragbarkeit auf andere Fälle?

Ein Arbeitszeitbetrug stellt eine schwerwiegende Pflichtverletzung des Arbeitnehmers gegenüber seinem Arbeitgeber dar. Der Arbeitnehmer verletzt damit in erheblicher Weise seine Pflichten gegenüber dem Arbeitgeber. Dennoch lässt sich nach dem Urteil des LAG Hamm nicht für alle Fälle des Arbeitszeitbetruges generell feststellen, dass diese immer einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellt. Im vorliegenden Fall gab es vielmehr etliche Besonderheiten in dem Nachtatverhalten der Arbeitnehmerin, die diesen Verstoß erschwerten und das Vertrauen in die Klägerin in einem Maße zerstörten, dass die Zusammenarbeit im Weiteren unzumutbar wurde.

Ein Arbeitszeitverstoß und erst recht ein Arbeitszeitbetrug sind schwerwiegende Pflichtverletzungen. Zeigt der Arbeitnehmer sich jedoch einsichtig und lässt sich die falsche Zeiterfassung korrigieren, dürfte in den meisten Fällen eine Abmahnung als Sanktion ausreichend sein. Erst bei hinzutreten weiterer Umstände, etwa einer möglichen Wiederholungsgefahr, Gewicht und Auswirkung einer Vertragspflichtverletzung, dem Grad des Verschuldens unter Einbeziehung der Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf, wird eine fristlose Kündigung in Betracht kommen.

 

Haben Sie Fragen zu Pflichtverletzungen im Arbeitsverhältnis, Abmahnungen oder Kündigungen rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail. Wir unterstützen Sie gern.