Die beiden Beklagten und der Kläger hatten 2012 mit einer Beteiligung von je einem Drittel gemeinsam eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) gegründet. Die GbR vertrieb und produzierte mit einem Partnerunternehmen im Wesentlichen Brillen. Alleingesellschafter dieses Partnerunternehmens war der Kläger. Im Laufe der Zeit kam es zu Unstimmigkeiten zwischen den Parteien. Die Beklagten warfen dem Kläger vor, rechtswidrig einen Konkurrenzbetrieb eröffnet zu haben, für den der Kläger mit Hilfe des ihm gehörenden Partnerunternehmens Waren des gemeinsamen Unternehmens abgezweigte und identisch nachproduzieren ließ.
Die Beklagten wollten dies unterbinden und beschlossen in einer Gesellschafterversammlung vom Februar 2015, gerichtlich gegen das wettbewerbswidrige Verhalten des Klägers und seines Konkurrenzbetriebes vorzugehen. Von der Gesellschafterversammlung bei der gemeinsamen GbR und der dort beabsichtigten Beschlussfassung hatten die Beklagten den Kläger zuvor nicht benachrichtigt, die Gesellschafterversammlung fand auch ohne den Kläger statt. Im Januar 2017 gingen die Beklagten ähnlich vor und beschlossen in einer weiteren Gesellschafterversammlung der gemeinsamen GbR, an der der Kläger wieder nicht teilnahm und über die er auch im Vorfeld nicht informiert wurde, die Zusammenarbeit der gemeinsamen GbR mit dem Partnerunternehmen zu kündigen. Anschließend wurde die Kündigung ausgesprochen. Der Kläger begehrte Feststellung, dass das Vertragsverhältnis mit dem Partnerunternehmen nicht beendet wurde.
Was hat der Bundesgerichtshof entschieden:
Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs (BGH) war die Sache noch nicht entscheidungsreif aufgeklärt. Er hat den Rechtsstreit zur weiteren Tatsachenfeststellung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Der BGH hat in seiner Entscheidung allerdings wichtige und allgemeingültige Grundsätze für Einberufung und Durchführung von Gesellschaftsversammlungen bei GbRs und zu der Beschlussfassung bei einer GbR rekapituliert:
- Bei GbRs existieren für die Einberufung und Durchführung von Gesellschafterversammlungen sowie für das Fassen von Gesellschafterbeschlüssen keine besonderen gesetzlichen und vielfach auch keine gesellschaftsvertraglichen Vorgaben. Enthält der jeweilige Gesellschaftsvertrag hierzu keine ausdrücklichen Regelungen, kann jeder Gesellschafter im Rahmen einer Beschlussfassung seine Stimme grundsätzlich jederzeit und auf beliebige Weise abgeben, gleichgültig, ob schriftlich, mündlich oder in anderer Weise und ob gleichzeitig mit den anderen Gesellschaftern oder nach ihnen. Es reicht auch aus, wenn die für den konkreten Beschluss erforderlichen übereinstimmenden Willenserklärungen der Gesellschafter durch schlüssiges Verhalten erfolgen oder auf andere Weise erkennbar sind.
- Kein Gesellschafter einer GbR darf an einer Abstimmung in "seiner" GbR teilnehmen, wenn er dadurch zu einem "Richter in eigener Sache" würde. Der Rechtsgedanke des § 47 Abs. 4 GmbHG gilt auch bei einer GbR.
- Dieses Verbot gilt jedoch nur für das Stimmrecht. An der Willensbildung der GbR-Gesellschafter vor der Abstimmung zu einem Beschlussgegenstand ist auch der Gesellschafter zu beteiligen, der bei der anschließenden Abstimmung vom Stimmrecht ausgeschlossen ist. Denn auch der von der Stimmabrecht ausgeschlossene Gesellschafter muss die Möglichkeit haben, seine Ansichten zu den zur Beratung und/oder Abstimmung anstehenden Tagesordnungspunkten darzulegen und Einwendungen geltend zu machen. Er hat ein Recht darauf, die Willensbildung in der Gesellschaft nachvollziehen und auf die Meinungsbildung bei den anderen Gesellschafter Einfluss nehmen zu können.
Was bedeutet das für die Praxis:
Auch bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts sind alle Gesellschafter zu den Gesellschafterversammlung nach den hierfür ggf. existierenden gesellschaftsvertraglichen Regelungen einzuladen, auch die, die zu den für die Gesellschafterversammlung vorgesehenen Beschlussgegenständen möglicherweise vom Stimmrecht ausgeschlossen sind. Fehlen konkrete Regelungen im Gesellschaftsvertrag, müssen alle Gesellschafter so rechtzeitig vor eine geplanter Gesellschafterversammlung und die für sie vorgesehenen (Beschluss-) Gegenständen informiert werden, dass sie unter normalen Umständen an der Versammlung teilnehmen können. Kein Gesellschafter darf hiervon ausgeschlossen werden, etwa weil sich die anderen Gesellschafter hiervon eine "einfachere" oder "harmonischere" Gesellschafterversammlung erhoffen oder der Auffassung sind, die Teilnahme eines Gesellschafters sei unerheblich, weil er ohnehin kein Stimmrecht habe.
Findet eine Gesellschafterversammlung bzw. eine Beschlussfassung bei der GbR unter Verletzung dieser Grundsätze statt, beispielsweise weil die anderen Gesellschafter meinen, auf den vom Stimmrecht ausgeschlossenen Gesellschafterkomme komme es ohnehin nicht an, sind die auf diese Weise auf oder außerhalb einer Gesellschafterversammlung gefassten Beschlüsse rechtswidrig und damit in aller Regel nichtig.
Die Beschlüsse müssen ggf. neu und dann unter ordnungsgemäßer Beteiligung des außenstehenden Gesellschafters gefasst werden. Hierdurch geht in jedem Fall wertvolle Zeit verloren und es kann sich ein wirtschaftlicher Schäden manifestieren oder wesentlich vertiefen. Schlimmstenfalls hätte der Beschluss innerhalb einer Bestimmten kurz bemessenen Frist gefasst werden müssen, um sein Ziel zu erreichen (beispielsweise als Voraussetzung für eine fristlose Kündigung) und kann deshalb nicht nachgeholt werden. Jeder weitere Beschluss, bei dem das richtige Verfahren eingehalten wird, kommt dann endgültig zu spät.
Haben Sie Fragen zur Einberufung oder Abhaltung von Gesellschafterversammlungen bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder einen anderen Rechtsform, beispielsweise bei einer oHG, KG, GmbH & Co KG, GmbH oder AG, rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail. Wir unterstützen Sie gern!