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Offene Videoüberwachung am Arbeitsplatz – Beweisverwertungsverbot bei Datenschutzverstoß

Aufzeichnungen aus einer offenen Videoüberwachung, die vorsätzlich vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers belegen sollen, dürfen in einem Kündigungsschutzprozess verwertet werden, auch wenn die Überwachungsmaßnahme rechtswidrig war.

Den Betriebsparteien fehlt zudem die Regelungsmacht ein Verwertungsverbot für Überwachungsmaßnahmen im Gerichtsverfahren zu begründen.
BAG Urteil vom 29.06.2023 – 2 AZR 296/22

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Verwendung der vom Gesetzgeber entworfenen Musterwiderrufsbelehrung

Eine Widerrufsinformation, die der gesetzlichen Musterwiderrufsbelehrung des Gesetzes entspricht, genügt den gesetzlichen Anforderungen. Eine Auslegung, die das vom Gesetzgeber selbstgeschaffene Muster für eine Widerrufsinformation als nichtgenügend ansehen würde, wäre eine Auslegung gegen das Gesetz und damit unzulässig ( OLG Stuttgart, Beschluss vom 05.04.2020, 6 O 182/19).

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Scheinselbständigkeit - Arbeitnehmerstatus - Rückabwicklung

Stellt sich ein vermeintlich freies Dienstverhältnis im Nachhinein als Arbeitsverhältnis dar, kann in der Regel nicht davon ausgegangen werden, die für freie Mitarbeit vereinbarte Vergütung sei der Höhe nach auch für eine Beschäftigung als Arbeitnehmer verabredet - BAG, Urteil vom 26.06.2019 – 5 AZR 178/18.

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Die virtuelle Gesellschafterversammlung in der GmbH

Virtuelle Gesellschafterversammlungen sind bei der GmbH mit Einverständnis aller Gesellschafter möglich

Die Digitalisierung durchdringt das Gesellschaftsrecht mehr und mehr. So hat beispielsweise die Covid-19 Pandemie das Bedürfnis befeuert, Gesellschafterversammlungen per Fernkommunikationsmittel, insbesondere virtuell per Videokonferenz abhalten zu können, auch wenn nicht alle Gesellschafter einer solchen Versammlungsform im konkreten Fall zustimmen. Dies gilt vor allem auch für die GmbH. Zum 01.08.2022 hat der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang die Digitalisierungsrichtlinie umgesetzt. Zeit für eine Betrachtung der Auswirkungen in der Praxis und für eine Einschätzung der neu eröffneten Möglichkeiten.

Wie ist die Rechtslage

Bisher durften Gesellschafterversammlungen einer GmbH nach der gesetzlichen Regelung ausschließlich als Präsenzversammlungen abgehalten werden. Das Gesetz sah nur die Möglichkeit vor, Gesellschafterbeschlüsse auch außerhalt von Gesellschafterversammlungen zu fassen, wenn sich sämtliche Gesellschafter in Textform mit der zu treffenden Bestimmung oder mit der schriftlichen Abgabe der Stimmen einverstanden erklären (§ 48 Abs. 2 GmbHG). Mit der Covid-19 Pandemie ist die Lebenswirklichkeit über diese gesetzlichen Vorgaben hinweggegangen. Im geschäftlichen Leben hat sich die Videokonferenz als gängiges Forum für Besprechungen und Versammlungen etabliert. Der Gesetzgeber hat reagiert und eröffnet nun ganz allgemein die Möglichkeit, Gesellschafterversammlungen in einer GmbH auch fernmündlich oder mittels Videokommunikation abzuhalten, wenn sämtliche Gesellschafter sich damit in Textform einverstanden erklären (§ 48 Abs. 1 GmbHG).

Virtuelle oder hybride Gesellschafterversammlungen auf dem Vormarsch

Zwar ist die virtuelle Gesellschafterversammlung bei einer GmbH unverändert der Ausnahmefall. Sie könnte aber von den Gesellschaftern zum Regelfall gemacht werden. Dass dies generell geschieht, scheint allerdings eher unwahrscheinlich. Denn die Durchführung einer virtuellen Gesellschafterversammlung birgt im Vergleich zu einer Präsenzversammlung doch auch einige Risiken, insbesondere wenn Meinungsverschiedenheiten zwischen Gesellschaftern bestehen, die zu einer streitigen Auseinandersetzung führen können. Gerade bei unkomplizierten Versammlungen setzen GmbH-Gesellschafter aber heutzutage offensichtlich verstärkt auf eine rein virtuelle Teilnahme oder auf hybride Versammlungsformen, also auf eine Präsenzversammlung, an der einige Gesellschafter aber virtuell teilzunehmen.

Versammlungen mit Tagesordnungspunkten, bei denen erheblicher Diskussionsbedarf besteht oder erhebliche Meinungsverschiedenheiten oder gar Konflikte zwischen den Gesellschaftern erwartet werden oder bei denen neue Geschäftsführer und leitenden Mitarbeiter vorgestellt werden, finden unverändert überwiegend weiter als Präsensversammlungen statt. Die Präsenzversammlung scheint dann aus der Sicht der Gesellschafter der Tragweite der zu erörternden oder zu beschließenden Themen besser gerecht zu werden. Nach aller Erfahrung lassen sich in solchen Fällen mit einer Präsenzversammlung leichter gute Ergebnisse erzielen, wenn sich die Gesellschafter von Angesicht zu Angesicht gegenüber sitzen. Dies gilt für das Auflösen von Konflikten, aber auch für das beweisbare Einhalten von Formalitäten, die gegebenenfalls Grundlage und Rahmen für eine sich anschließende streitige Auseinandersetzung zwischen den Gesellschaftern ist. Je kontroverser eine Gesellschafterversammlung voraussichtlich ablaufen wird, desto sinnvoller erscheint es, die Versammlung als Präsenzveranstaltung abhalten, weil dies für die Beteiligten voraussichtlich zielführender und dann langfristig zeitsparender zu sein verspricht.

Risiken einer virtuellen Gesellschafterversammlung

Entscheiden die Gesellschafter sich für eine virtuelle oder hybride Durchführung der Gesellschafterversammlung, ist dies mit kleineren und größeren Risiken verbunden. Drei aus unserer Sicht besonders gravierende solcher Risiken sind die Folgenden:

  • Einverständnis aller Gesellschafter

Die Durchführung einer Gesellschafterversammlung in rein virtueller oder hybrider Form setzt das Einverständnis aller Gesellschafter für diese konkrete Gesellschafterversammlung voraus. Das Einverständnis der Gesellschafter muss sich auf die konkreten Tagesordnungspunkte beziehen, die auf der Gesellschafterversammlung abgehandelt werden sollen, und muss in Textform (E-Mail, SMS, What’s Ap) vorliegen. Fehlt eine solche Einverständniserklärung und existiert auch keine Regelung in der Satzung der Gesellschaft, die ein solches konkretes Einverständnis entbehrlich macht, sind alle Beschlüsse, die auf dieser virtuellen Gesellschafterversammlung gefasst werden, unheilbar nichtig. Vor der Durchführung einer virtuellen oder hybriden Gesellschafterversammlung müssen die Gesellschafter daher immer darauf achten, dass ein solches Einverständnis aller Gesellschafter vorliegt oder aufgrund von Satzungsbestimmungen entbehrlich ist. Das gilt natürlich insbesondere für die Gesellschafter, die auf der Gesellschafterversammlung wirksame Beschlüsse fassen wollen.

  • Vertraulichkeit und Geheimhaltung

An einer Gesellschafterversammlung dürfen grundsätzlich nur Gesellschafter der Gesellschaft teilnehmen. Die Teilnahme Dritter bedarf grundsätzlich der Zustimmung der Gesellschafterversammlung und ist vor allem für alle Teilnehmer ersichtlich. Findet eine Gesellschafterversammlung virtuell statt, ist diese Vertraulichkeit der Versammlung und der jeweiligen Beiträge und Beschlüsse nicht mehr so leicht zu gewährleisten und zu überprüfen wie auf einer Präsenzversammlung. Denn bei Einsatz von Telekommunikationsmitteln können die Gesellschafter praktisch gar nicht mehr überprüfen, ob Personen die Vorgänge auf der Versammlung im Verborgenen verfolgen, die hierzu nicht befugt sind, oder ob von der Versammlung unbefugt auch noch Bild- oder Tonaufzeichnungen angefertigt werden. Gesellschaftern, denen Vertraulichkeit besonders wichtig ist, sollte dies bewusst sein, wenn sie einer virtuellen Gesellschafterversammlung zustimmen.

  • Technische Störungen

Technische Störungen treten in virtuellen Gesellschafterversammlungen immer wieder auf. Der hiervon betroffenen Gesellschafter hat dann im Regelfall das Nachsehen. Sofern nicht nachweisbar ist, dass die Gesellschaft hierfür verantwortlich ist, werden, entsprechend der Handhabung im Aktienrecht, auf der Versammlung gefasste Beschlüsse hierdurch wohl nicht anfechtbar werden. Technische Störungen können zudem auch Streit zwischen Gesellschaftern darüber fördern, wer in der Versammlung welche rechtserheblichen Erklärungen abgegeben hat.

Satzungsänderungen – Erleichterung oder Erschwerung der virtuellen Gesellschafterversammlung

Den Gesellschaftern einer GmbH steht es frei, Regelungen zur virtuellen Durchführung von Gesellschafterversammlungen in ihre Satzung aufzunehmen und diesen Komplex damit abweichend von der gesetzlichen Bestimmung zu regeln. Hierbei können sie sich für die beiden Extrempositionen entscheiden – also nur noch virtuelle Versammlungen abzuhalten oder aber abweichend von der gesetzlichen Erleichterung die Präsenzveranstaltung als einzige Möglichkeit festzuschreiben – oder aber die Gesellschafter können einen Mittelweg wählen und z.B. die Durchführung von virtuellen Gesellschafterversammlungen erleichtern. Die beiden Extrempositionen sind dabei aus unserer Sicht nicht empfehlenswert. Erleichterungen für die Durchführung von virtuellen Gesellafterversammlungen, insbesondere in der hybriden Teilpräsenzform, haben sich aber schon vielfach bewährt.

Es sind viele Erleichterungen für das Abhalten einer virtuellen Gesellschafterversammlung denkbar. Einige hiervon bewähren sich in der Praxis besonders gut. Hierzu gehören insbesondere (i) ein Verzicht auf das Erfordernis einer Zustimmung sämtlicher Gesellschafter für das Abhalten von virtuellen/hybriden Gesellschafterversammlungen und (ii) weitere Erleichterungen für die Durchführung von virtuellen/hybriden Gesellschafterversammlungen in Eilfällen.

 

Möchten Sie Ihre Satzung für virtuelle Gesellschafterversammlungen öffnen oder sich allgemein zu virtuellen/hybriden Gesellschafterversammlungen bei einer GmbH beraten lassen, rufen Sie uns an oder schreiben uns eine E-Mail. Wir unterstützen Sie gern.