Die Parteien streiten über die Zahlung von Karenzentschädigung aus einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot. Die Klägerin war bei der Beklagten als Zahnärztin tätig. § 15 des Arbeitsvertrages besagt,
der Arbeitnehmer verpflichtet sich, nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses innerhalb von zwei Jahren in einem Umkreis von drei Kilometern von der Praxis des Arbeitgebers keine zahnärztliche Tätigkeit in eigener Praxis aufzunehmen. Im Fall der Zuwiderhandlung wird eine Vertragsstrafe …. fällig. Der Arbeitgeber verpflichtet sich, für die Dauer des Verbotes jährlich eine Entschädigung zu zahlen in Höhe der Hälfte der vom Arbeitnehmer zuletzt bezogenen Vergütung, wobei darauf angerechnet wird, was der Arbeitnehmer durch Verwertung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt.
Die Parteien haben das Arbeitsverhältnis mit einer Aufhebungsvereinbarung einvernehmlich beendet. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nahm die Klägerin eine Tätigkeit als angestellte Zahnärztin in einer Praxis auf, die weiter als drei Kilometer von der Praxis der Beklagten entfernt liegt.
Die Klägerin stellte einen Antrag auf Zahlung von Karenzentschädigung ohne Anrechnung sonstigen Erwerbs. Sie ist der Auffassung, anderweitig erzielter Erwerb sei nur in Höhe der gesetzlichen Vorgaben des § 74 c HGB anzurechnen. Da der Arbeitsvertrag eine hiervon abweichende Regelung enthalte, sei die vollständige Anrechnung unverbindlich und die Beklagte könne sich hierauf nicht berufen. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben, das Bundesarbeitsgericht hat die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts bestätigt.
Zunächst stellt das BAG fest, dass aus der einvernehmlichen Auflösung eines Arbeitsverhältnisses regelmäßig nicht auf die Aufhebung eines zuvor vereinbarten nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes geschlossen werden könne. Für die Annahme eines auf gleichzeitige Erledigung eines solchen Verbots gerichteten Parteiwillens bedürfe es vielmehr besonderer Anhaltspunkte. Wenn in einem Vertrag über die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses nichts über die gleichzeitige Erledigung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes gesagt worden sei, müsse deshalb regelmäßig davon ausgegangen werden, dass nach dem Willen der Arbeitsvertragsparteien eine bestehende Abrede über ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot weiterhin Wirkung entfalten solle.
Vereinbarungen über nachvertragliche Wettbewerbsverbote sind gemäß § 110 Satz 1 GewO in Verbindung mit §§ 74 bis 75 f HGB grundsätzlich zulässig. Danach ist ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot wirksam und für beide Vertragsparteien verbindlich, wenn es dem Schutz eines berechtigten geschäftlichen Interesses des Arbeitgebers dient, nach Ort, Zeit und Gegenstand nicht zu weit reicht und der Arbeitgeber sich verpflichtet, eine Karenzentschädigung zu zahlen, die mindestens die Hälfte der vom Arbeitnehmer zuletzt bezogenen vertragsgemäßen Leistungen erreicht.
Soweit nachvertragliche Wettbewerbsverbote den gesetzlichen Anforderungen nicht genügen, sind sie entweder nichtig oder unverbindlich. Nachvertragliche Wettbewerbsverbote, die überhaupt keine Entschädigung vorsehen, sind nichtig. Unverbindlich sind demgegenüber Wettbewerbsverbote, die zwar schriftlich vereinbart wurden, bei denen die Entschädigung aber nicht die gesetzliche Mindesthöhe erreicht, die zu weit gefasst sind und die unter Bedingungen stehen oder dem Arbeitgeber ein Wahlrecht einräumen. Aber auch solche Vereinbarungen, die gegen die Vorgaben des § 74 Abs. 1 HGB verstoßen oder eine über die Vorgaben des § 74 c Abs.1 HGB hinausgehende Anrechnung vorsehen, sind unverbindlich. Ob die Unverbindlichkeit das gesamte Wettbewerbsverbot oder nur Teile erfasst, hängt nach der Rechtsprechung des BAG davon ab, gegen welche gesetzliche Vorgabe verstoßen wird. Der Verstoß gegen die Vorgaben des § 74 c Abs. 1 HGB führt dazu, dass nur diejenigen Bestandteile des Arbeitsvertrages unverbindlich werden, die über die Anrechnungsgrenzen hinausgehen, hier also eine Anrechnung vorsehen, auch wenn die Karenzentschädigung und das jetzigen Einkommen nicht 110% der zuletzt bezogenen Leistungen überschreiten. Denn Ziel der Regelung sei es nicht, den Arbeitgeber zu entlasten, sondern lediglich zu verhindern, dass der Arbeitnehmer eine Karenzentschädigung erhalte, obwohl er keine wesentlichen beruflichen Nachteile erleide.
Das BAG stellt klar, dass Arbeitnehmer sich anderweitigen Verdienst nur insofern anrechnen lassen müssen, als die Summe aus anzurechnendem Erwerb und Entschädigung mehr als 110 % der bisherigen vertragsgemäßen Leistung beträgt. Dies ist deshalb konsequent, weil der Arbeitnehmer sich, wenn das Wettbewerbsverbot insgesamt unverbindlich wäre bei Einhaltung des Verbotes an den vertraglichen Vereinbarungen einschließlich der von Gesetz abweichenden Anrechnungsregelung festhalten lassen müsste. Also gerade auch an den gesetzlichen Bestimmungen, deren Nichtbeachtung erst zur Unverbindlichkeit führen. Ein solches Ergebnis wäre mit dem Zweck, dass die §§ 74 ff HGB zugunsten der Arbeitnehmer zwingend sind, unvereinbar.
Der Verstoß gegen § 74 c Abs. 1 HGB führt deshalb richtigerweise lediglich dazu, dass der Arbeitgeber sich auf die von § 74 c Abs. 1 HGB abweichende Vereinbarung nicht berufen kann, d. h. der Verstoß führt zur Unverbindlichkeit der vertraglichen Abrede insoweit, als sie eine über die in § 74 c Abs. 1 HGB bestimmte Grenze hinausgehende Anrechnung anderweitigen Verdienstes vorsieht, der Arbeitnehmer aber sehr wohl die Karenzentschädigung einfordern kann.