Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in seinem Urteil vom 20.12.2022, 9 AZR 266/20 entschieden, dass die dreijährige Verjährungsfrist für den gesetzlichen Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub erst am Ende des Kalenderjahres beginnt, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat.
Mit dieser Entscheidung hat das BAG die Vorgaben des EuGH zur Frage der Verjährung von Urlaubsansprüchen umgesetzt. Ausgangspunkt des aktuellen Urteils war ein Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht Solingen (Urteil vom 19.02.2019, 3 Ca 155/18). Die dort klagende Arbeitnehmerin war seit 1996 als Steuerfachangestellte und Bilanzbuchhalterin beschäftigt, bis sie 2017 aus dem Arbeitsverhältnis ausschied und die Abgeltung von 101 Urlaubstagen aus dem Jahr 2017 und den Vorjahren verlangte. Während das Arbeitsgericht Solingen der Klage nur insoweit stattgab, als es um die Urlaubstage aus dem Jahr 2017 ging, verurteilte das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (Urteil vom 21.02.2020, 10 Sa 180/19) den Arbeitgeber zur Abgeltung aller 101 Urlaubstage. Dem Einwand des Arbeitgebers, ein Teil der Urlaubsansprüche sei verjährt, folgte das Landesarbeitsgericht nicht.
Die Revision des Arbeitgebers beim BAG blieb ohne Erfolg. Zwar befanden die Richter des neunten BAG-Senats, dass die Vorschriften über die Verjährung (§ 214 Abs. 1, § 194 Abs. 1 BGB) auf den gesetzlichen Mindesturlaub Anwendung finden. Sie urteilten allerdings, dass die Verjährungsfrist von drei Jahren bei richtlinienkonformer Auslegung des § 199 Abs. 1 BGB erst mit dem Ende des Jahres beginne, in dem der Arbeitgeber die Arbeitnehmerin über ihren konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und die Arbeitnehmerin den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat.
Versäumt es der Arbeitgeber, den Arbeitnehmer rechtzeitig auf die Gefahr des Urlaubsverfalls hinweisen und ihn zum Urlaub aufzufordern, hat das also nicht bloß zur Folge, dass sich die Resturlaubsansprüche des Arbeitnehmers über mehrere Jahre hinweg ansammeln können, weil sie nicht am Jahresende verfallen (BAG, Urteil vom 19.02.2019, 9 AZR 541/15). Auch die Verjährung kann dem Arbeitgeber dann nicht helfen, weil die Verjährungsfristen nicht zu laufen beginnen. Der betroffenen Arbeitnehmer kann dann zu einem späteren Zeitpunkt auch nach Ablauf der drei-jährigen Verjährungsfrist noch seinen Urlaub oder dessen Abgeltung verlangen.
Jeder Arbeitgeber sollte deshalb seine Arbeitnehmer über die Möglichkeit des Urlaubs unterrichten und über Verfallfristen belehren.
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