Ausgangspunkt – grundsätzliche Unzulässigkeit von Hinauskündigungsklauseln in Gesellschaftsverträgen
Zunächst hält das Kammergericht noch einmal fest: Grundsätzlich sind gesellschaftsvertragliche sowie auch schuldrechtliche Regelungen bei Personengesellschaften oder bei der GmbH nichtig, die es ermöglichen, einen Mitgesellschafter ohne sachlichen Grund aus der Gesellschaft auszuschließen (sog. "Hinauskündigungsklauseln"). Hierin liegt nach der Rechtsprechung des BGH ein Verstoß gegen die guten Sitten nach § 138 Abs. 1 BGB, weil jeder Mitgesellschafter seine Mitgliedschaftsrechte nach freier Entscheidung ausüben können soll, ohne sich hierin durch den Druck einer jederzeitige Ausschließungsmöglichkeit diszipliniert zu fühlen.
Ausnahmen von der Unzulässigkeit von Hinauskündigungsklauseln
Von dem vorstehenden Grundsatz der Unzulässigkeit von Hinauskündigungsklauseln hat der BGH aber verschiedentlich Ausnahmen zugelassen, in denen ein Ausschließungsrecht im Einzelfall als sachlich gerechtfertigt erscheint. Hierbei handelt es sich insbesondere um folgende Fallkonstellationen:
- In einer auf die Mitarbeit aller Gesellschafter angelegten GmbH kann die Satzung vorsehen, dass ein Geschäftsanteil eingezogen werden kann, wenn der betreffende Gesellschafter seine Mitarbeit in der Gesellschaft einstellt.
- Ein Geschäftsführer erhält im Hinblick auf seine Geschäftsführerstellung eine Mitarbeiterbeteiligung gegen Zahlung des Nennwertes dieser Beteiligung, die er bei Beendigung des Geschäftsführeramtes gegen eine begrenzte Abfindung zurück übertragen muss.
- Ein verdienter Mitarbeiter erhält unentgeltlich oder lediglich gegen Zahlung des Nennwertes eine Minderheitsbeteiligung, die der Mitarbeiter bei Beendigung des Arbeitsvertrages wieder zurück übertragen muss.
- Bei der Aufnahme eines neuen Gesellschafters (Arztes) sieht die Praxisgesellschaft von Ärzten eine zeitlich befristete Prüfungsmöglichkeit/Hinauskündigungsmöglichkeit vor.
- Zwischen den Gesellschaftern besteht eine enge, persönliche Beziehung, die den ausschließungsberechtigten Gesellschafter veranlasst, die gesamte Finanzierung der Gesellschaft zu übernehmen und seiner Partnerin eine Mehrheitsbeteiligung an der Gesellschaft einzuräumen.
Die Entscheidung des Kammergerichts – auch bei Start-up-Unternehmen kann zeitlich begrenzte Hinauskündigungsklausel gerechtfertigt sein
Das Kammergericht hat bestätigt, dass ein Ausschließungsrecht auch bei einem Start-up-Unternehmen im Rahmen einer zeitlich befristen Vesting-Regelung vereinbart werden kann, wenn diese Vereinbarung den Zweck hat, denn Fortbestand der Gesellschafterstellung eines Gründers mit seinem weiteren Tätigwerden für das Unternehmen zu verbinden.
Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass Risikokapitalgeber bei Investitionen in ein Start-up-Unternehmen einer zeitlich beschränkten Vesting-Regelung bedürfen. Da ein Start-up-Unternehmen gerade erst am Anfang seiner Entwicklung steht und die Gründer meist keine herkömmlichen Sicherheiten leisten können, sind die Risikokapitalgeber jedenfalls darauf angewiesen, dass die Gründer weiterhin mit ihrem Know-how und ihrer ganzen Arbeitskraft im Unternehmen tätig sind. Dabei ist laut Kammergericht auch für die von der Vesting-Regelung betroffenen Gründer diese in der Regel attraktiver als die Alternative, sukzessiv Geschäftsanteile von dem Investor auf die Gründer (zurück) zu übertragen.
Auswirkungen auf die Praxis
Das Kammergericht führt noch einmal deutlich vor Augen, in welchen – nur eng begrenzten Fällen – eine Hinauskündigung eines (Mit-)Gesellschafters aus "seiner" Gesellschaft möglich ist. Dabei stellt das Gericht klar, dass zeitlich begrenzte Vesting-Regelungen bei einem auf Finanzierung angewiesenen Start-up-Unternehmen hierunter fallen. Schließlich liegen solche, angemessenen Vesting-Regelungen auch im Interesse der Gründungs-Gesellschafter, die ohne die hierin begründete Absicherung der Investoren kaum die notwendigen, finanziellen Mittel für die Weiterentwicklung des Start-up-Unternehmens einwerben könnten.
Zugleich hält das Kammergericht fest, dass die hierbei konkret vereinbarte Höhe der Abfindung für die Wirksamkeit der Hinauskündigungsmöglichkeit nicht erheblich ist. Sollte die Abfindung nicht angemessen hoch ausfallen, tritt an die Stelle der zu niedrig vereinbarten Abfindung eine der Höhe nach angemessene Abfindung.
Zu der Frage, ob ein Hinauskündigungsrecht wirksam vereinbart wurde, ob Sie sich hiergegen wehren können, oder ob ggf. die Möglichkeit besteht, sich auf andere Weise (z.B. durch Einziehung oder Ausschlussklage) von einem unliebsamen Mitgesellschafter zu trennen, beraten wir Sie gerne.